Austausch der Geinsheimer Glocken 1995 (Diaschau mit Fullscale)

Fullscale Bilder durch Doppelklick auf offenes Viereck mit Pfeil (rechts unten)

Glockengeläut (letztes Läuten der Stahlgußglocken)

Am 18. August 1995 wurde von Karl-Heinz Maurer ab 7 Uhr das letzte Läuten (Schauläuten) der alten Stahlgußglocken mit einem Aufnahmegerät am Glockenturm aufgenommen. Insgesamt wurden - nach dem 7 Uhr Schlag der Turmuhr - fünf unterschiedliche "Melodien" geläutet. Die diversen Melodien sind in wav-Dateien enthalten, die nach Aufruf das Geläut hörbar machen (Lautsprecher einschalten -> nach Anklicken etwas Geduld).

Turmuhr_4vor7Uhr.wav
Wave Audio Datei 6.1 MB
1Gelaeut.wav
Wave Audio Datei 51.2 MB
2Gelaeut.wav
Wave Audio Datei 55.4 MB
3Gelaeut.wav
Wave Audio Datei 54.2 MB
4Gelaeut.wav
Wave Audio Datei 51.0 MB
5Gelaeut_s.wav
Wave Audio Datei 55.3 MB

Austausch der Geinsheimer Glocken 1995 (Überblick)

Die Geinsheimer Glocken in Vergangenheit und Gegenwart (Norbert Kästel)

Die Glocken immer wieder Opfer von Kriegen


Die älteste Nachricht über Glocken in Geinsheim stammt aus dem Jahr 1583. Am 4. April diesen Jahres wurde in Venningen durch den Beauftragten des Bischofs Johannes Hugo Freiherr von Orsbeck (1677-1711) auch eine mittlere Glocke für Geinsheim mit dem Namen „Caspar, Melcher, Baltasar“ geweiht. „Pfetter“ oder Pate war Hans Caspar Munch, „Göttel“ die Frau des Schaffners in Kirrweiler. Da eigens von einer mittleren Glocke berichtet wird, ist anzunehmen, dass bereits zwei Glocken vorhanden waren, die aber sicher erst nach Ende des 30jährigen Krieges (1648) angeschafft worden waren.

Seit dem 15. Jahrhundert waren die Glocken in jedem Krieg in Gefahr. Damals wurden im Kriegswesen Kanonen eingeführt, die wie die Glocken gegossen wurden und alle Kriegsführenden hatten immer Bedarf an Kanonen. In den folgenden Jahrhunderten war unsere Gegend fast ständig Kriegsgebiet. Wenn daher von Zeit zu Zeit wieder ein neues Geläut angeschafft wurde, so ist das meist darauf zurückzuführen, dass die vorhergehenden Glocken dem Moloch Krieg geopfert werden mussten.

 

Am 8. Juli 1686 wurden im Karmeliterkloster in Speyer für die Geinsheimer Kirche zwei neue Glocken geweiht. Die fünf Zentner schwere große Glocke erhielt den Namen St. Peter und St. Paul. Ihr Pate war der Scheidemeister des Domkapitels Hubertus Stella, ihre Patin die „Eheliebste“ des Domsekretärs. Die kleine Glocke wog 57 Pfund und trug den Namen St. Maria. Ihr Pate war „des Landschreibers jüngster Sohn Franz“ und „Gevatterin“ war „des Oberschaffners liebe Tochter Katharina“.

Am 26. August 1714 fand in der Geinsheimer Kirche eine Altarweihe statt. Bei dieser Gelegenheit wurden zwei Glocken gesegnet. Die größere Glocke wurde zu Ehren der hl. Petrus und Paulus geweiht. Paten waren der Viztum Johannes Caspar und die „Landschreiberin Frau Claudia Theresia Trisin“. Die kleinere Glocke wurde zu Ehren der heiligen Katharina geweiht. Ihre Paten waren „Johannes David Tris und Maria Franziska Odilia Trisin, des Landschreibers junger Herr und junge Tochter“.

 

In den Revolutionskriegen ab 1792 in unserer Gegend waren die Geinsheimer Glocken offenbar wieder konfisziert worden. Am 31. Juli 1808 weihte Pfarrer Franz Bernhard Freybott „vor dem Allerheiligsten, in Anwesenheit der ganzen Gemeinde, wobei Mürgermeisters (maire) Jakob Kästel und Adjunkt Andreas Appel beauftragte Zeugen waren, zwei neue Glocken, eine größere und eine kleinere“.

Im Jahre 1823 wurden von der katholischen Gemeinde zum Preis von 2800 Gulden drei Glocken angeschafft. Sie wogen 1580, 800 und 293 Pfund. Von Glockengießer Franz Maire aus Kaiserslautern wurden sie geliefert. Ihre Weihe erhielten suie vom Dekan aus Kirrweiler. Da die kleine Glocke gesprungen war und die mittlere keinen guten Klang mehr hatte, wurden die beiden im Jahr 1876 in Frankenthal umgegossen. Dabei verloren sie an Gewicht. Sie wurden am 20. November 1876 von dem Pfarrer und Definitor Münch aus Neustadt geweiht.

 

Das Geläute von 1910

Im Jahre 1910 stifteten Johannes Linnenfelser und seine Ehefrau Anna geb. Mayer für das Geläute eine zusätzliche große Glocke. Zur Erinnerung an den Vater des Stifters wurde sie „Thomasglocke“ genannt. Am 22. Mai 1910 war Glockenweihe. Geweiht wurde neben der neuen auch die kleine umgegossene Glocke. Das neue Geläut bestand nun aus folgenden vier Glocken: Thomas-Glocke (1466 kg), Peter-und-Paul-Glocke (790 kg), Muttergottes-Glocke (375 kg) und der alten Peter-und-Paul-Glocke (271 kg). Ein Jahr vor dem Ende des Ersten Weltkrieges mussten am 17. September 1917 die drei großen Glocken abgeliefert werden.

 

Das Geläute von 1919

Im Jahre 1919 fand man die große Glocke in einer Bleihütte in Call in der Eifel. Ihre Krone war abgeschlagen und sie wog nur noch 1387 kg. Die Pfarrgemeinde Geinsheim kaufte die beschädigte Thomas-Glocke zurück und ließ daraus 1920 von Glockengießer Andreas Hamm in Frankenthal drei neue Glocken gießen. Das neue Geläute bestand aus der Thomas-Glocke (850 kg), der Peter-und-Paul-Glocke (600 kg) der Muttergottes-Glocke (400 kg) und der alten Peter-und Paul-Glocke (271) kg.

Der Zier der neuen Glocken war aufwändig gestaltet: Die Thomas-Glocke trug das Bild des heiligen Thomas und folgende Aufschrift: ICH BIN DIE THOMASGLOCKE DER KATH: PFARRKIRCHE AD SS PETRUM ET PAULUM: IM JAHRE 1917 WAR’S, ALS MICH DER KRIEG IN DIE BLEIHÜTTE NACH CALL GESANDT, ZERSCHLAGEN, DER KRONE BERAUBT KEHRT ICH WIEDER. ST. THOMAS BIN ICH BENANNT, ABER EIN DRITTEL MEINES GUTES HABE ICH AN ST. PETER UND PAUL ABGEGEBEN.

 

Die zweite Glocke, die „Engel-des Herrn-Glocke“ trug das Bild der Geinsheimer Kirchenpatrone Peter und Paul und folgende Inschrift: „DER BLEIHÜTTE VON CALL BIN ICH GLÜCKLICH ENTKOMMEN, VON THOMAS HAB ICH DAS ERZ BEKOMMEN. MIT PAULUS IM BUND ICH, PETRUS, MACH KUND DER CHRISTENHEIT STUND DEM VOLK IN DER RUND“.

 

Auf der dritten Glocke war das Bild der Muttergottes und folgender Spruch zu sehen: „ICH BIN DIE MARIENGLOCKE DER K. PFARRKIRCHE AD SS PETRUM ET PAULUM: DICH RUFE ICH MIT FROMMER STIMME, DICH LOBE ICH HL. MARIA, DU, O HEHRE, BESCHÜTZE UNS VON ALLEN ÜBELN!“. Bischof Ludwig Sebastian weihte am 31. Mai 1920 die drei neuen Glocken und hielt die Festpredikt.

 

Die alte Peter-und Paul-Glocke aus dem Jahre 1910 trägt die Bilder der beiden Apostelfürsten und die Inschrift: „GEGOSSEN VON MEISTER ANDREAS HAMM, SOHN; Frankenthal 1910 – ICH BIN DIE PATRONATSGLOCKE DER KATH. KIRCHE IN GEINSHEIM. AD SS. PETRUM ET PAULUM – IN ALLE WELT GING AUS IHR WORT.“ Diese Glocke kam 1948 als Geschenk für Pfarrer Müller nach Mörlheim. Heute befindet sie sich in der Kirche St. Elisabeth in Pirmasens.

 

Das Geläute von 1948

Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges gelang es noch vor der Währungsreform (16.06.1948) von der Firma Weule in Bockenem am Harz ein neues Geläute zu erwerben. Die vier Eisenhartgußglocken wurden mit alter Reichsmark-Währung und der Kompensationswährung Wein und Tabak bezahlt. Heinrich Appel und Franz Schaaf ermöglichten durch größere Stiftungen deren baldigen Kauf. Das Geläute bestand aus der Thomas-Glocke (1850 kg), der Petrus-Glocke (1060 kg) der Paulus-Glocke (760 kg) und der Marien-Glocke (500 kg). Am 15. Februar 1948 wurden diese Glocken von Bischof Joseph Wendel geweiht.

 

Kirchlicherseits war man diesen Eisenhartgußglocken von Anfang an nicht geneigt, da es sich gestalterisch und klanglich nur um minderwertigen Ersatz handelte. Im Laufe der Jahre wurden die Schwächen der Eisenhartgußglocken immer deutlicher. Nach dem Glockensachverständigen Volker Müller neigten die Glocken „zu schneller Verrostung bis hin zu Löchern in der Glockenwand und großen Lunkern innerhalb des Materialgefüges, daher auch der asthmatische kurzatmige Klang, ohne Glanz und Tragfähigkeit“. Da größere Reparaturen anstanden, beschloss im Jahre 1994 der Verwaltungsrat die Anschaffung eines neuen Geläutes für die Geinsheimer Kirche, denn „der fortschreitende Verrostungsprozess hätte es ohnehin zu einer Frage der Zeit gemacht, bis eine um die andere Glocke gesprungen wäre“.

Das neue Geläute der Pfarrkirche Geinsheim

Das im Juli 1995 in der Karlsruher Glockengießerei Metz geschaffene Geläute besteht aus vier Bronzeglocken. Jede Glocke besitzt eine Sechsschenkelkrone, deren Bügel abwechselnd mit Figuren des Hl. Benedikt und der Hl. Scholastika geschmückt sind. Damit soll daran erinnert werden, dass die Glocken angeschafft wurden, als Pater Josef Spiegel, Benediktiner aus dem Kloster Weltenburg an der Donau, Pfarradministrator in Geinsheim war. Jede Glocke trägt über dem Schlagring der Gießervermerk und den Eigentumsvermerk: Kath. Kirchengemeinde Peter und Paul Neustadt-Geinsheim

 

Die Glockenweihe und Enthüllung der Gedenktafel für Pfarrer Nardini, Agatha Schwarz und Philipp Haußner durch Bischof Anton Schlembach, Speyer fand am 13. August 1995 statt.

Die Geinsheimer "Thomasglocke"


Im August 2018 übergab Frau Maria Steeg geb. Groß dem „Verein für Heimatpflege Geinsheim e.V.“ das nachstehende Bild, ein Nachlass ihres Vaters Wilhelm Groß, der von 1923 bis 1953 Postagent in Geinsheim war.

 

Der Eintrag auf der Rückseite des Bildes gibt Auskunft über den dargestellten Sachverhalt:

Zur Erinnerung an die Stiftungsglocke von Jh. Linefelser im Jahre 1910. Wilh. Groß"


Seit dem Jahr 1876 bestand das Geläut der Kirche St. Peter und St. Paul in Geinsheim aus drei Glocken. Im Jahr 1910 stifteten Johannes Linnenfelser und seine Ehefrau Anna geborene Mayer eine zusätzliche große Glocke, die am 22. Mai 1910 von Gymnasialprofessor Nikolaus Donauer aus Neustadt geweiht wurde. Sie erhielt zur Erinnerung an den Vater des Stifters den Namen „Thomasglocke“. Die neue Glocke wog 1.466 kg, war auf den Ton d´ gestimmt und kostete 3.628 Mark, eine stattlich Summe.


Wer war dieser Stifter der „Thomasglocke“?


Johannes Linnenfelser (1858-1934) war der einzige Nachkomme von Thomas Linnenfelser (1827-1908) und der Franziska geb. Hoffmann. Er war seit 1886 verheiratet mit der aus Heiligenstein stammenden Anna Mayer (+ 1920). Das Ehepaar, das keine Nachkommen hatte, wohnte in der „Bahnhofstraße 20“ (heute Weihergasse 17, H. und E. Zürker). Später heiratete Johannes Linnenfelser in 2. Ehe Anna Margarete Schneider (*1897), die wiederum in 2. Ehe mit Georg Schneider (*1899) verheiratet war. Sie waren die Eltern von Rita Schneider (*1936).


Die Nachkommen des durch Heirat im Jahr 1826 aus Rheinhausen nach Geinsheim gekommenen Johannes Linnenfelser betrieben neben dem allgemein üblichen Ackerbau, das Maurerhandwerk und stellten Ziegelsteine her. So lieferte Jakob Linnenfelser beim Bau der neuen Kirche (1870 bis 1873) 5000 Stück Königssteine und 3000 Stück ¾-Steine.


Noch bis zur Weinbergflurbereinigung „Geinsheim AA III, Platte“, die 2012/13 durchgeführt wurde, waren zwischen der alten Bundesstraße 39 und dem unteren Schlittweg die Spuren des Lehmabbaus deutlich zu erkennen. Die verhältnismäßig großen Flurstücke, die mittlerweile Eigentum von Georg und Anna Schneider waren, lagen deutlich tiefer als die benachbarten, sodass sie im Zuge der Flurbereinigung aufgefüllt werden mussten.

 

Man kann annehmen, dass Thomas und Johannes Linnenfelser mit der Ziegelei zu Wohlstand gekommen waren und sich so die großzügige Spende der „Thomasglocke“ leisten konnten.


Am 13. September 1917 mussten die drei großen Glocken des Geinsheimer Geläutes zu Kriegszwecken abgeliefert werden, und die katholische Pfarrgemeinde erhielt dafür eine Entschädigung von 8.860 Mark. Im Jahr 1919 fand man die große „Thomasglocke“ in einer Bleihütte in Call in der Eifel. Ihre Krone war abgeschlagen, und sie wog nur noch 1.387 kg. Die Pfarrgemeinde Geinsheim kaufte die beschädigte „Thomasglocke“ zum Preis von 3.162,36 Mark zurück. Sie wurde eingeschmolzen, als im Jahr 1920 Glockengießer Andreas Hamm in Frankenthal drei neue Glocken für die Geinsheimer Kirche goss.


August 2018
Norbert Kästel